20 Jahre Stadtforum Leipzig
Im Jahr 2024 haben wir unseren 20. Geburtstag gefeiert. „20 Jahre Bürgerschaftliches Engagement“ mit Mitgliedern, Freunden und Partnern.
Mitglieder, Partner und Freunde waren zu unserem Herbstfest eingeladen, dass am Freitag, den 11. Oktober 2024, von 17 bis 20 Uhr stattfand. Ort war das ehemalige Wächterhaus von HausHalten e. V., wo wir bereits 2014 unseren 10. Geburtstag feierten. Nunmehr ist sie die Geschäftsstelle der Leipziger Denkmalstiftung und ihrem Förderverein.
Ursprünglich war ein Sommerfest am 2. August 2024 geplant, da jedoch Sanierungsarbeiten im Haus stattfanden, konnten wir, in der Kürze, keine alternative Möglichkeit finden.

Vernetzungstreffen
Im Anschluss unserer Geburtstagsfeier fand das 17. Vernetzungstreffen der Stadtforen Mitteldeutschlands statt und das bereits zum dritten Mal in Leipzig. Dazu gab es am 12. Oktober 2024 einen Vortrag zu aktuellen Themen des Stadtforums Leipzig und am Sonntag eine Führung zu gegenwärtigen Bauprojekten in der inneren Stadt.
Unsere Bürgerinitiative „Stadtforum Leipzig – für behutsamen Stadtumbau“ feiert am 19. November 2024 ihren 20. Geburtstag. Seit 20 Jahren setzen wir uns ehrenamtlich für die Entwicklung und Umsetzung einer nachhaltigen städtebaulichen Strategie ein und das die Bürgerinnen und Bürger ein Mitspracherecht haben, wenn es um die Veränderung ihrer Stadt geht. Ein zentrales Anliegen sind die zahlreichen Hausabrisse in den 1990er und 2000er Jahren, weil sie wegmussten, da sich der Eigentümer nicht gekümmert hat oder sie ein Schandfleck für die Fußball-WM 2006 waren, aber auch für sinnlose Straßenverbreiterungen, wie die südliche Friedrich-Ebert-Straße oder Teile der Prager Straße. Viele kennen die Filmreihe „Ist Leipzig noch zu retten“ von 1989 und es war wahrlich nicht schön anzusehen, aber man hätte vieles erhalten und sanieren können. Umso schmerzlicher ist es, dass es sogar Bundesfördermittel für den Hausabbruch gab und es auch im Jahr 2024 noch hin und wieder solche Abrisse gibt. Unser Ziel ist es, dem entgegenzuwirken und gemeinsam Lösungen zu finden, damit diese Bauten für die Zukunft erhalten werden können. Ausschlaggebende Punkte für unsere Gründung waren die Käthe-Kollwitz-Straße 6 und die „Kleine Funkenburg“ am
Ranstädter Steinweg, letztere wurde im Jahr 2005 abgerissen, für eine Verbreiterung der Jahnallee. Aber sie hätte stehen bleiben können, der verlegte Elstermühlgraben wäre dann durchs Haus geflossen – eine Attraktion. Aber das Stadtplanungsamt wollte davon nichts wissen und auch die Pläne nicht überdenken. Bis heute klafft dort eine Lücke. Die Käthe-Kollwitz-Straße 6 konnte dankenswerterweise erhalten und viele Jahre später saniert werden, schlecht sah es hingegen für die Karl-Heine-Straße 30 aus, gegenüber vom Felsenkeller, hierbei wollte die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) um jeden Preis das stadtbildprägende Eckhaus abreißen und trotz fehlender Abrissgenehmigung tat sie es auch. 20 Jahre später ist das Grundstück weiterhin unbebaut, lediglich „Überreste“ vom Eckhaus dienen als Mahnmal. Doch es gibt Pläne, dieses Grundstück zu bebauen.

Eine Vorbild-Wohnanlage aus den 1920er Jahren sollte abgerissen werden
Ein weiteres Beispiel, was gerettet werden konnte und sogar bundesweite Aufmerksam bekam, war eine Wohnanlage in der Zerbster Straße in Eutritzsch. Sie stammt aus den Jahren 1924 bis 1925 und wurde in der Moderne und Art Déco errichtet, die die LWB gnadenlos abreißen wollte. Sie ist eine der ersten großen Wohnungsanlagen des sozialen Wohnungsbaus in Leipzig und damals schaute ganz Deutschland auf die Messestadt, welche auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus eine wichtige und beispielgebende Vorreiterrolle spielte. Doch das kümmerte die LWB nicht. Dank unserer Proteste, wie mit einer örtlichen Demonstration, an der 200 Personen teilnahmen, und einer bundesweiten Berichterstattung, bat der Oberbürgermeister die LWB, einen Kaufinteressenten zu suchen. Doch die LWB ließ sich nicht abhalten und schrieb die Abbruchleistungen öffentlich aus. Letztendlich konnte das Ruder umgerissen und die Anlage erhalten und saniert werden.

Gebäudesicherungsprogramm
Von großer Bedeutung gehört auch das Gebäudesicherungsprogramm der Stadt Leipzig, bei dem Kulturdenkmale mit besonders hohem Denkmalwert und mit herausragender städtebaulicher Bedeutung kurz- und mittelfristig erhalten werden sollen. So wurde im Januar 2006 eine Liste mit 150 städtebaulich und denkmalpflegerisch unverzichtbaren Gebäuden übergeben, die jährlich aktualisiert wurde. 2009 wurde auch eine Liste mit 30 industriellen Gebäuden überreicht.

Das Gestaltungsforum für mehr anspruchsvolle Architektur
Seit 2008 ist bei der Stadt Leipzig das Gestaltungsforum verankert, das eine behutsame Stadtentwicklung fördert, die Architekturqualität auf einem hohen Standard sichert und städtebauliche und architektonische Fehlentwicklungen verhindert. Orientiert wurde sich dabei am „Gestaltungsbeirat Regensburg“, der seit 1998 als unabhängiges Sachverständigengremium agiert. Der Leipziger Beirat besteht aus 20 Personen, darunter aus fünf stimmberechtigten Mitgliedern aus den Fachgebieten Städtebau, Landschaftsplanung und Architektur, die unabhängig von der Stadt Leipzig sind und ihren Wohn- oder Arbeitssitz nicht im örtlichen Einzugsgebiet haben. Dazu kommen zwei nicht stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger aus Leipzig, die sich in Fragen der Stadtentwicklung engagiert haben, wie das Stadtforum Leipzig. Zudem kann jede Stadtratsfraktion ein beratendes Mitglied nennen. Die Teilnahme am Beirat ist freiwillig und es sind lediglich Empfehlungen für den Bauherren oder Architekten, die man umsetzen kann, aber nicht muss. Das Angebot wird jedoch sehr gut angenommen.

Ein Shoppingcenter, das Maßstäbe setzt
Wichtig ist auch das Shoppingcenter „Höfe am Brühl“ in der Innenstadt zu nennen. Nach der Entscheidung der LWB zum Abbruch der Plattenbauten im Jahr 2002, gab es vielfache Bemühungen von Architekturfreunden für den Erhalt dieser DDR-Bauten. Das Stadtforum Leipzig plädierte dafür, dass, wenn diese Bauten abgebrochen würden, dann unbedingt die Chance genutzt werden müsse, auf den 52 Vorkriegsparzellen ein lebendiges Quartier neu entstehen zu lassen. Das hätte eine entsprechende städtische Rahmenplanung und den parzellenweisen Verkauf an viele Investoren mit vielen Konzepten erfordert. Unter Verweis auf ihre hohe Verschuldung setzte die LWB den schnellen Verkauf an nur einen Investor durch, den Centerbetreiber mfi, der mittlerweile auch schon das „Kaufhaus Brühl“ erworben hatte. Damit war an eine kleinteilige Entwicklung nicht mehr zu denken, die Weichen zum Bau eines riesigen Shoppingcenters gestellt. Gegen die Planungen der „Höfe am Brühl“ liefen nicht nur wir, sondern vor allem auch die Einzelhändler der Innenstadt und die IHK, Sturm. Zusammen mit Partnern, insbesondere in der Architektenschaft, konnte beispielsweise erreicht werden: die Einrichtung eines Beirats für die Planungen mit Vertretern der Stadtverwaltung, des Stadtrats und Fachleuten, in den auch ein Vertreter des Stadtforums Leipzig entsandt wurde; dass die Verkaufsflächen zumindest etwas reduziert und der zulässige Branchenmix etwas verträglicher für die übrige Innenstadt eingeschränkt wurde; die Durchführung eines regulären Architekturwettbewerbs und nachfolgende (überarbeitete) Umsetzung dessen Siegerentwurfs; dass das Center zum Brühl nach Außen wirklich geöffnet wird in der gesamten Länge; die Wiederaufnahme der alten geschwungenen Vorkriegsbaulinie am Brühl; die Wiedererstehung der alten Plauensche Straße im historischen Verlauf; Außen verschiedene Fassaden, die zudem nicht nur einfach vorgehängt sind, sondern auch Brüche im Innern widerspiegeln; der Erhalt der Blechfassade als bedeutsamem Denkmal der DDR-Moderne und der 1960er-Jahre-Architektur insgesamt; dass eben keine durchgehende Ladenzeile entstand, sondern versetzte Höfe in der Tradition der Leipziger Passagen; dass auch das Innere durch Architekten gestaltet und deutlich höherwertig wurde als etwa im Paunsdorf-Center; dass keine Ausgleichswohnflächen ganz nebenher vorschnell auf der letzten großen innerstädtischen Kriegsbrache, dem Matthäikirchhof, entstanden, für den es einer ganz sorgfältigen und hochwertigen Planung bedarf; eine Verbesserung der Verkehrserschließung für Anlieferung und Parken, indem die dafür erforderlichen Flächen im Stadtraum deutlich reduziert. Welches deutsche Shoppingcenter kann wohl schon sagen, dass es acht Ein- und Ausgänge gibt? Wenn die Frage aufkommt, weshalb wir für den Erhalt der „Blechbüchse“ im Beirat stimmten, liegt das daran, dass wir im Stadtforum uneins waren. Die einen wollten den Erhalt des Kaufhauses und die anderen die Vorhangfassade, weshalb es kein Statement gab. Unterstützt wurde aber eine Petition vom Kunsthistoriker Dr. Arnold Bartetzky oder etwa die „Bürgerinitiative Kaufhaus Brühl“, die wiederum vorschlugen, dass Kaufhaus an originaler Stelle zu erhalten und die Blechbüchse ans Hallische Tor zu versetzen. Die Kompromisslösung war schließlich die „Vitrinenlösung“, zu der es dann auch nicht kam, sodass die Fassade nur von Innen erlebbar ist.

Das verlorene Markthallenviertel und der große Wilhelm-Leuschner-Platz
Eine der noch wenigen innerstädtischen Flächen, die unbebaut sind, ist das Areal um den Wilhelm-Leuschner-Platz, wozu das kriegszerstörte Markthallenviertel gehört. Unser Anspruch ist es nicht, das alte Leipzig wiederaufzubauen und nach historischen Straßengrundrissen zubauen, sondern, dass man sich mit der Stadtgeschichte und des Städtebaus auseinandersetzt und eine Bebauung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Das Stadtplanungsamt stellte den Bebauungsplan „Nr. 392, Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost“ auf, dazu fanden im Herbst 2012 auch ein Bürgerforum und eine Ausstellung mit Entwürfen des Workshops zur städtebaulichen Umgestaltung statt. Bis 2008 war es seitens der Stadt geplant, den historischen Stadtgrundriss wiederherzustellen. Mit Beschlüssen vom Stadtrat in den Jahren 2008 und 2009 wurde einiges geändert: Wiedererrichtung einer Markthalle (weitgehend am historischen Standort), Bestandssicherung des Bowlingtreffs und der mögliche Standort des Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmals. Im März 2010 fand dann eine Städtebauwerkstatt und im Dezember selben Jahres ein Bürgerforum statt, das grundlegende Änderungen mit sich brach. Der Wilhelm-Leuschner-Platz wurde nun nach Osten vergrößert (Dreiecksfläche) und rechts daneben drei durch Straßen unterteilte Blöcke, wovon in der Mitte die Markthalle Platz nehmen soll. Damit wird der historische Königsplatz in seiner alten Form und eine Bebauung zwischen Wilhelm-Leuschner-Platz und Markthallenstraße nicht mehr zurückkommen. Unsere Forderungen waren unter anderem: eine Aufnahme der historischen Baufluchten und damit die Wiederherstellung der ovalen Platzform sowie einer Bebauung des Gebiets zwischen Platz und Markthallenstraße; der Bereich östlich des Wilhelm-Leuschner-Platzes kann seiner verbindenden Funktion zwischen Stadtkern und Zentrum-Süd nur gerecht werden, wenn er eine ausreichende Menge urbaner Nutzungen in hoher citytypischer Dichte sowie hohe Verweilqualitäten anbietet und damit urbanes Flair ausstrahlt. Eine nur einseitige Geschäftslage auf der Ostseite der Markthallenstraße kann dies nicht leisten. Ohne die schützende Westseitenbebauung wird die Markthallenstraße zudem von den Fußgängern als zugig und unbehaglich empfunden werden; die große, den Baublock westlich der Markthallenstraße, mit einschließen der Platzform ist überwiegend nachteilig. Durch die Preisgabe erheblicher Bauflächen wird die potentielle urbane Kraft dieses Stadtviertels von vornherein eingeschränkt und geschwächt. Die keilförmige Aufweitung lässt den Platz auseinanderklaffen und verunklärt die Form. Die Wegachse für Fußgänger und Radfahrer wird von der traditionellen, direkten Linie abgelenkt und deutlich nach Osten verzogen. Die konstruktiven Probleme einer Überbauung des unterirdischen City-Tunnel-Bahnhofs sind lösbar. Gespräche mit potentiellen Investoren haben gezeigt, dass Nutzungsmöglichkeiten für den Baublock zwischen Platz und Markthallenstraße gesehen werden. Wenn auch eingeschränkt, können dort Gebäude errichtet werden. Der Stadtrat konnte leider nicht überzeugt werden, dieses Areal nach historischen Grundrissen wiederzubeleben und damit ein neues urbanes Zentrum zu schaffen.

Der Mätthäikirchhof mit einer Bürgerbeteiligung, die zu wünschen übriglässt
Ja, die Stadt Leipzig bot eine umfangreiche Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung zur Umgestaltung des Matthäikirchhofs an, das steht außer Frage. Was aber infrage gestellt werden muss, ist der Sinn einer Bürgerbeteiligung, vor allem mit unerwünschten Personen und Initiativen. Es fanden über das Jahr 2021 mehrere Veranstaltungen statt, ein Auftakt, eine Fachdiskussion, dem auch unser Sprecher Stefan Riedel beiwohnte, aber auch vier Fachwerkstätten, an denen 60 Personen mitwirken durften. Nun muss man sich das aber so vorstellen, dass es ein Anmelde- und Losverfahren seitens der Stadt Leipzig gab, soweit erstmal in Ordnung. Aber (!), es durften nur 20 „normale“ Bürgerinnen und Bürger teilnehmen – Anmeldungen dafür gab es 70. Immerhin wurde ausgewählt, ob sie beispielsweise einem Verein angehören. Die 40 übrigen Personen waren Fachleute aus verschiedenen Kreisen. Auch das Stadtforum Leipzig bewarb sich, vergebens – und bekam die Rückmeldung von ganz oben. Unsere mehrheitliche Forderung ist es, den Stasi-Komplex komplett abzubrechen, denn nur so ist ein qualitätsvoller Neuanfang möglich, um den hohen Revitalisierungsanspruch des Areals gerecht zu werden. Auch mit dem Erhalt eines Riegels, wie es letztendlich der Fall ist, der schließlich nur eine Kompromisslösung ist, steht der folgenden Aspekte entgegen: erhebliche Einschränkung der Flexibilität der Neuplanung; defizitäre städtebauliche Lage; ausgeprägte Barrierewirkung, besonders in Bezug zur Max-Klinger-Treppe; ebenso strukturstörend: die 1,5 Meter hohe Sockelzone des Erdgeschosses; überdies bedeutet der Erhalt unkalkulierbare, jedenfalls exorbitante Umbau- und Sanierungskosten. „Der Wert der politischen Erinnerung des nur rund vier Jahre genutzten Stasikomplexes ist mit dessen Beseitigung nicht gelöscht. Diese Geschichte kann auch mit dem Erhalt typischer Elemente erzählbar bleiben.“, so Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, in der Auftaktveranstaltung zum „öffentlichen Beteiligungsprozess“ zur Entwicklung des Matthäikirchhofs am 19. April 2021. Das begriffliche und lokale Symbol des Stasi-Standorts ist und bleibt die „Runde Ecke“. Der bereits stattgefundene städtebauliche Wettbewerb sollte unsererseits nach eingehender öffentlicher Diskussion der Aufgabenstellung unbedingt als offener Architektenwettbewerb durchgeführt werden, um die größtmögliche Bandbreite von Lösungsvorschlägen zu erreichen, aber auch das war nicht der Fall.

Die Leipziger Messe verliert weiterhin ihr Gesicht
Als man im April 1996 die „Neue Messe“ eröffnete, begann die grundlegende Umgestaltung des nun „Alten Messe Leipzig“ genannten Geländes. Es wurden Messehallen abgerissen, aber auch erhalten. Nicht zu verkraften war jedoch der rücksichtslose Abbruch von sechs Messehallen in den Jahren 2012 bis 2013, nämlich die Hallen 1 bis 6. Lediglich der Portikus von Halle 2 konnte erhalten werden, was auch unseren Bemühungen und denen der Leipziger Denkmalstiftung zu verdanken ist. Ansonsten ist aber das Ensemble an der Prager Straße, mit dem letzten Doppel-M, zerstört, es war außerdem das letzte große Hallenquartier. Ein Schandfleck, der wegmusste, hieß es unter anderem. Wir begrüßten von Anfang an, dass das Porta-Möbelhaus auf diesem Areal umziehen will, aber nicht, dass dafür Messe- und Architekturgeschichte verloren ginge. Porta war zu keinem Gespräch bereit und auf der Grundsteinlegung sagte man, wenn man vorher mal hier gewesen wäre, hätten man vielleicht die Hallen erhalten, weil sie doch ganz schön aussahen. Das muss man erstmal schlucken. Weiter ging es dann im Frühjahr 2021 mit der Halle 12, hinter dem Sowjetischen Pavillon, auch hier zerstörte man wieder Messe- und Architekturgeschichte und die ehemalige „Technische Messe Leipzig“ wird immer mehr ihr Gesicht verlieren, trotz der vielen architektonisch qualitätsvollen Neubauten.

Einfach mal das Straßenbahnnetz komplett umbauen und Schneisen schlagen
Ein Dorn im Auge ist uns auch das Leipziger Straßenbahnnetz. Um künftig mehr Fahrgäste zu befördern, wurde bereits Ende der 1980er Jahre entschieden, den Gleismittenabstand – von 2,56 m auf 2,80 m – zu vergrößern, damit sich bereitere Fahrzeuge begegnen können. Die maximale Breite beträgt 2,30 m, um problemlos fahren zu können. Doch es sollen 25 % mehr befördert werden, wenn die Fahrzeuge nun 2,40 m breit sind – bis 2003 war die Breite 2,20 m, sodass man noch mit „20 cm mehr Platz“ warb. Aufgrund der Vergrößerung des Gleismittenabstands ist teilweise aber auch eine Straßenverbreiterung notwendig und wenn ein Haus im Weg steht, dann muss es eben weg, wie auf der Prager Straße (zwischen Friedhofsgärtnerei und Connewitzer Straße) zum Beispiel. Man muss es sich vor dem Kopf halten, ein über 300 km großes Gleisnetz umzubauen, was eine lebenslange Aufgabe sein wird und das mittel- bis langfristige Problem zu haben, dass nicht alle Fahrzeuge barrierefrei einsetzbar sind. Mittlerweile sind die ausgebauten Anlagen so verschlissen, dass sie schon wieder erneuert werden mussten und müssen, während andernorts noch Großverbundplatten aus den 1980er Jahren liegen, die zwar immer noch halten, aber mit altem Gleismittenabstand. Unsere Forderung war also, auf den neuen Gleismittenabstand und damit auf den Einsatz breiterer Bahnen zu verzichten – und das haben nicht nur wir gefordert. Im Dezember 2020 wurden nun die neuen Straßenbahnen bestellt und das erste Fahrzeug sollte dieses Jahr präsentiert und nächstes Jahr eingesetzt werden. Aber nichts, sie sind noch nicht einmal im Rohbau und warum? Weil die Linie 16 die einzige Linie ist, wo sie derzeit eingesetzt werden können. Uns stören aber gewiss auch eigene Bahnkörper, wenn sie Straßenräume zerschneiden und damit die Lebens- und Geschäftsqualität stören. Nun soll auf der Georg-Schumann-Straße weiter das Unwesen getrieben werden, den Straßenraum zu trennen. Damit werden auch alle Bemühungen des „Magistralenmanagements Georg-Schumann-Straße“ zunichte gemacht, die von 2011 bis 2022 versucht haben, die Straße wiederzubeleben. Klar, ein eigener Bahnkörper ist durchaus notwendig, sonst steht die Straßenbahn weiterhin im Stau, aber es müssen auch die Straßenräume bedacht werden. Eine Kompromisslösung wäre, an allen Straßenecken Querungen zu schaffen – nicht nur für Fußgänger und Radfahrer, sondern auch für Autos, die nicht erstmal eine große Umfahrung machen müssen. Insbesondere, um zu vermeiden, dass Autos ins Gleisbett fahren und davon gab es dieses Jahr schon 64.

Gründung weiterer Stadtforen, eines Netzwerks und die Auszeichnung des „Europa Nostra Awards“
Die Frage vorweg, was ein Stadtforum ist: es ist ein Zusammenschluss von Menschen, die sich für Stadtentwicklung und Denkmalpflege engagieren und sich aktiv in die Gestaltung ihrer Städte einbringen. Nach unserem Vorbild haben sich weitere Foren gegründet: Stadtforum Chemnitz (2006), Stadtforum Freiberg (2007), Stadtforum Görlitz e. V. (2008), Stadtforum Zittau (2010) und Stadtforum Altenburg (2010). Das Stadtforum Gotha (2021) gründete sich nach Vorbild des Altenburger Stadtforums. Im Jahr 2025 sind weitere Gründungen in Meißen und Zeitz (Burgenlandkreis) geplant, die wir tatkräftig unterstützen werden. Doch nicht nur Initiativen, auch zahlreiche Einzelpersonen engagieren sich für ihre Stadt und so fand am 20. April 2009 in Leipzig das erste Vernetzungstreffen „Städte erhalten | Bürger beteiligen“ statt, dem sich jährlich ein weiteres anschloss. Alle zwei Jahre trifft man sich zudem auf der europäischen Leitmesse „denkmal“ für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung, das auch schon zur festen Tradition geworden ist. Aus der „losen Blattsammlung“ wurde schließlich am 30. März 2011, ebenso in Leipzig, das „Netzwerk Stadtforen Mitteldeutschland“ gegründet, das von 2011 bis 2017 das Stadtforum Leipzig geleitet hat. Das diesjährige Vernetzungstreffen wurde, gemeinsam mit der Leipziger Denkmalstiftung und dem Denkmalnetz Sachsen, am 12. und 13. Oktober 2024 ausgerichtet und stand unter dem Motto „20 Jahre Stadtforum Leipzig – Ehrenamt und Engagement zur Baukultur und Denkmalpflege“. Das nächste Vernetzungstreffen findet am 26. und 27. April 2025 in Zeitz statt. Jährlich wird außerdem das Magazin „STADTFORUM“ herausgegeben, wo Mitglieder, Partner und Freunde über ihre Arbeit berichten, darunter vom mittlerweile 44-jährigen braunschweiger forum. Damit gibt es nicht nur Netzwerkpartner in Mitteldeutschland, sondern auch in angrenzenden Bundesländern. Auf unserer Initiative hin wurde am 19. Oktober 2009 die „Leipziger Denkmalstiftung“ gegründet, um notleitenden Baudenkmalen eine Perspektive zu geben und das mitteldeutschlandweit. 2010 bekam sie einen Förderverein zur Seite gestellt. Die Stiftung erhielt 2022 das „Denkmalnetz Sachsen“ vom Freistaat Sachsen, gemeinsam mit dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V., um die Menschen vor Ort zu unterstützen, ihre Denkmale zu erhalten, nachhaltig in Nutzung zu bringen und die regionale Entwicklung anzustoßen. Inbegriffen ist auch der Denkmalradar, eine Datenbank notleitender Baudenkmale, die 2010 von der Leipziger Denkmalstiftung initiiert wurde. Außerdem erhielt das „Denkmalnetz Sachsen“ in diesem Jahr die Goldmedaille für herausragende Leistungen in der Denkmalpflege, die im Rahmen der denkmal-Messe verliehen wurde.

Im Jahr 2011 wurde Wolfram Günther, dem Initiator des Stadtforums Leipzig, ordentliches Mitglied in der Arbeitsgruppe „Fachliche Fragen in der Denkmalpflege“ des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK). Das DNK bildet auf Bundesebene eine Klammer um die wesentlich föderal geprägte Denkmalpflege. Bund, Länder, Gemeinden, Kirchen, Fachorganisationen, Vereine und private Bürgerinitiativen arbeiten im DNK für Denkmalschutz zusammen: eine nationale Schnittstelle für die Belange des Denkmalschutzes, der Baudenkmalpflege und der archäologischen und erdgeschichtlichen Denkmalpflege. Aufgrund einer Vereinbarung mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder ist die Geschäftsstelle seit Gründung des Komitees im Jahre 1973 bei der Bundesregierung angesiedelt, und zwar seit 1998 bei dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Durch die Mitgliedschaft und Mitarbeit im DNK erhöhen sich die Möglichkeiten, für die Anliegen vom Stadtforum Leipzig und der Leipziger Denkmalstiftung auf Bundesebene Gehör und Partner zu finden.
Eine ganz besondere Ehre wurde uns im Jahr 2013 zuteil, als wir den begehrten „Europa Nostra Awards 2013“ in der Kategorie Dedicated Service (herausragende Leistungen von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen) für unser breites Engagement zum Erhalt des gebauten Kulturerbes in Leipzig und der gesamten mitteldeutschen Region erhielten. Mit gewürdigt wurden auch die Unterstützung bei der Gründung von Stadtforen in zahlreichen weiteren mitteldeutschen Städten, das „Netzwerk Stadtforen Mitteldeutschland“ und die ebenfalls in der gesamten Region tätigen Leipziger Denkmalstiftung. Dieser Preis ist nicht nur eine Auszeichnung für das Stadtforum Leipzig, sondern auch seiner Partner. Europa Nostra wurde 1963 gegründet und ist ein europäischer Denkmalschutzverbund mit Sitz in Den Haag. Er vertritt die Interessen von über 400 Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen aus 45 Ländern gegenüber der Europäischen Union, dem Europarat und der UNESCO. Der seit 1978 vergebene „Europa Nostra Awards“ ist eine europäische Auszeichnung, mit der jedes Jahr herausragende Leistungen im Bereich der Erhaltung von Kulturerbe ausgezeichnet werden.

Am 11. Oktober 2024, im Rahmen des 17. Vernetzungstreffens der Stadtforen Mitteldeutschlands, fand ein Herbstfest zu unserem 20. Geburtstag statt, beidem wir viele Freunde und Partner begrüßen durften, darunter das Stadtforum Zittau, der Arbeitskreis Innenstadt Halle e. V., der Geschäftsstraßenmanager der Alten und Neuen Neustadt Magdeburg oder vom braunschweiger forum, aber auch unser Gründungsmitglied Bürger Verein Eutritzsch e. V. war mit dabei. Wir blickten gemeinsamen auf 20 Jahre zurück und vieles ist nur dank bürgerschaftlichen Engagements möglich, wovon das Stadtforum Leipzig lebt und seit Beginn an auch steht. Gefeiert haben wir im ehemaligen Vereinshaus von HausHalten e.V., die sich nur einen Monat vorher gegründet haben und die „Wächterhäuser“ ins Leben riefen, um den schnell fortschreitenden Verfall vieler noch, etwa 2.000, unsanierten Gründerzeithäuser und der geringen Nachfrage nach Wohnungen mit Lagemängeln eine neue Strategie für den Umgang mit ungenutzter Bausubstanz zu geben. Ziel war damit die Sicherung und Werterhaltung gefährdeter Altbauten durch die Akquise neuer Nutzer auf nichtkommerzieller Basis.

Rundgänge zur aktuellen Leipziger Stadtentwicklung
Unser Anliegen ist es auch, die Leipzigerinnen und Leipziger über ihre Stadt zu informieren, was hier gerade passiert und in Zukunft geplant ist, aber auch, woran sich sie sich, im Rahmen der Bürgerbeteiligung, engagieren können. So fanden in den Jahren 2012 bis 2016 über 60 Führungen zur Leipziger Stadtentwicklung statt, die teilweise mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern städtischer Ämter inhaltlich durchgeführt wurden und auf beiden Seiten auf großes Interesse stießen. Die meisten Besucher interessierten sich für den Lindenauer Hafen und die Alte Messe. Daneben gab es noch die Veranstaltungsreihe „Stadtleben“, ein mehrtätiges Programm zu verschiedenen Bauprojekten vergangener Jahre, darunter zur Umgestaltung ehemaliger Bahnanlagen. Im Jahr 2005 fand das Kolloquium „Für einen behutsamen Stadtumbau. Alternativen zum Abriss“ statt, dabei sollten Gestaltungsprozesse beim Stadtumbau geklärt und Standpunkte bestimmt werden – aus kultureller, politischer, rechtlicher und ökonomischer Perspektive. Dazu gab es einen Abendvortrag vom mittlerweile verstorbenen Prof. Dr. Gottfried Kiesow, dem Gründer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), zum Thema „Zum Wert gewachsener Städte aus der Sicht der Denkmalpflege“. Ein Jahr später gaben wir eine Broschüre zu „Aktuellen Fragen und Problemen der Leipziger Stadtentwicklung“ heraus. Damals nahm Leipzig mit 446 abgebrochenen Bau- und Kulturdenkmalen eine traurige Spitzenposition in ganz Deutschland ein.